Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in einem aktuellen Fall klargestellt, unter welchen Bedingungen das Recht auf Pflichtteilsminderung gemäß § 776 Abs 2 ABGB gegeben ist. Die Klägerin, Tochter eines vorverstorbenen Sohnes der 2017 verstorbenen Erblasserin, machte Pflichtteilsansprüche geltend.
Die Vorinstanzen hatten die Möglichkeit zur Pflichtteilsminderung bejaht, da die Klägerin und die Erblasserin seit 1999 kaum persönlichen Kontakt hatten und sich beide nicht um eine Kontaktaufnahme bemühten. Dies führte zu jahrelangen Unterbrechungen, insbesondere durch Konflikte zwischen der Erblasserin und ihrem Sohn.
Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück und führte aus, dass das „grundlose Meiden des Kontakts“ durch den Erblasser keinen vorhergehenden Kontaktaufnahmeversuch des Pflichtteilsberechtigten erfordere. Ein wechselseitiges Fehlen des Kontaktinteresses, bei dem beide Parteien keinen Anlass für den Kontaktverlust gegeben haben, stellt kein „Meiden“ dar. Damit führt passives Verhalten und mangelndes Bemühen um Kontakt nicht zum Ausschluss des Rechts auf Pflichtteilsminderung.
OGH | 2 Ob 116/22f | 06.09.2022 | Urteile und Beschlüsse des OGH